Einige Bemerkungen über die theory of consent
Ein Einverständnis für eine bestimmte Sache zu geben, ist ein häufiges und notwendiges Phänomen, das in vielen Lebensbereichen existiert und praktisch von großer Bedeutung ist. Einverständnis zur Organspende, Einverständnis zu einer Operation, Einverständnis zu einem Lizenzvertrag oder Einverständnis zum Gebrauch von Cookies. Es gibt ein stillschweigendes Einverständnis und ein explizites Einverständnis. Eine wichtige Frage wäre hier: gibt es etwas, das alledem zugrunde liegt, eine Art Ur-Einverständnis oder einheitliche Theorie des Einverständnisses? Im Folgenden wird Einverständnis/Zustimmung weitgehend unabhängig von seiner rechtlichen Dimension diskutiert.
Die rein rechtliche Stellung der Zustimmung ist in der Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Zustimmung) recht gut dargestellt. Eine Theorie des Einverständnisses ist ein Sonderfall der Entscheidungstheorie (Spectrum.de zur Entscheidungstheorie). Die Diskussion dieses Zusammenhanges, genauso wie das Nachzeichnen der Geschichte des Begriffs würde hier zu weit führen (Einige Klassiker der consent theorie finden sich in der Encyklopaedia Britannica).
Im englischen hat man eine consent theory, dies kann allerdings nicht so einfach ins Deutsche übersetzt werden, da hier Wörter wie Zustimmung, Übereinkunft, Einverständnis möglich sind. Sie werden hier im wesentlichen synonym gebraucht.
Was ist Zustimmung?
Zustimmung ist ein kommunikativer Akt, der in Bezug auf einen Gegenstand die moralische oder rechtliche Relation zwischen zwei oder mehreren Parteien ändert. Es geht also um eine mindestens dreistellige Beziehung und eine Art Transaktion. Die Parteien, die an dieser Transaktion beteiligt sind, müssen einen bestimmten souveränen Status (rechtlich, moralisch, intellektuell) besitzen, um ein gültiges Einverständnis äußern zu können. Häufig wird vorausgesetzt, dass sie das, worum es in der Zustimmung geht, verstanden haben und dass sie juristisch, moralisch oder intellektuell befugt und in der Lage sind, diese Zustimmung zu geben. Hier ist die schwierige Frage, was heißt hier Verständnis? In der Regel ist es nur die Kenntnis der wichtigsten Folgen der Zustimmung und häufig nicht einmal dies.
Zustimmung und Ablehnung
Das Wort Zustimmung provoziert natürlich die Vorstellung von ihrem Gegenteil, der Ablehnung. Sehr wahrscheinlich sind aber Zustimmung und Ablehnung kein symmetrisches Begriffspaar. In vielen Fällen, gerade bei der stillschweigenden Zustimmung sind wir nicht in der Lage, beides gleichermaßen zu entscheiden. Niemand kann bewusst ablehnen, seine Muttersprache zu lernen oder den Sauerstoff-Gehalt der Luft für seine persönlichen Lebensprozess zu nutzen. Die genauere Bestimmung der Relation wäre ein Thema der Entscheidungstheorie.
Es gibt verschiedene Formen der Zustimmung, je nach beteiligten Parteien. Die Zustimmung zu einem Vertrag kann das Resultat langer Verhandlungen über den Vertragsinhalt sein. Häufig ist aber Zustimmung, Einverständnis einseitig, das heißt, die Inhalte und Bedingungen der Zustimmung stehen nicht zur Verhandlung (cookie notice, Zustimmung zu einer Operation, Zustimmung zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen).
Die äußere Form der Zustimmung
Zustimmung kann es in mehreren Formen geben, stillschweigend, zukünftig, hypothetisch, explizit, implizit, informiert, schriftlich, mündlich, einseitig, mehrseitig, durch eine Tätigkeit etc. John Locke war der Auffassung, dass jemand, wenn er über die Straßen und Wege eines Landes geht, der Rechtmäßigkeit des entsprechenden Staates stillschweigend zustimmt.
Ausdrückliche und stillschweigende Zustimmung scheint hierbei also eine wichtige Unterscheidung zu sein. Ausdrücklich stimmt man einer Sache zu, wenn das Umfeld nicht selbstverständlich ist, wenn es einen gesetzlichen Rahmen oder einen moralischen Kontext gibt, der sich nicht selbst erklärt. Verträge enthalten zahlreiche Bestimmungen, die zahlreiche ausdrückliche Formulierung enthalten. Die vieldiskutierte Zustimmung zum einvernehmlichen Sex enthält zahlreiche Kontextfaktoren, die zum Teil der Klärung bedürfen (geschützter Sex, bezahlter Sex, ehelicher Sex etc.) zu einem großen Teil aber selbstverständlich sind, da es sich ja um eine Tätigkeit zur Erhaltung der Menschheit handelt. Andererseits wird diese Tätigkeit natürlich nicht ausschließlich dafür ausgeübt.
Delegierung des Einverständnisses
Ein etwas schwierigerer Fall ist die Delegierung der Zustimmung/Ablehnung an politische Organe in Parteien und Staat. Dies ist das Grundprinzip der derzeitigen Demokratie. Der Bürger muss nicht mehr einem Gesetzesentwurf zustimmen, sondern die von ihm gewählten Körperschaften und Vertretungen tun es. Der Einzelne gibt seine Entscheidungssouveränität an diese Körperschaften ab. Die Zustimmungsintention des Bürgers muss nicht mit der der Vertretung übereinstimmen. Proteste und Demonstrationen, etwa gegen die Urheberrechtsnovelle im EU-Parlament sind ein Zeichen dessen. Der Ruf nach Volksabstimmungen zeigt, dass das Vertrauen in die Kompetenz der politischen Körperschaften nicht ungetrübt ist. Das Delegationsprinzip soll hier übergangen werden.
Zustimmungskompetenz
Dies lenkte uns automatisch auf das Thema der Zustimmungskompetenz. Weiß ich eigentlich, welcher Sache ich zustimme, wenn ich mein Einverständnis zu einer Operation, zum Gebrauch von Cookies beim Aufruf einer Internetseite oder zum Abschluss eines Versicherungsvertrages gebe? Hier ist die Zustimmung häufig pragmatisch motiviert. Man nimmt einen Rest an Unkenntnis dessen, worauf man sich einlässt in Kauf für das angestrebte Resultat. Im Englischen spricht man hier häufig von „informierter Einwilligung“ oder „informiertem Einverständnis“ oder einfach „Einverständniserklärung“ (so Google Translate für informed consent). Auch hier findet sich ein guter Überblick über die rechtliche Seite in der Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Informierte_Einwilligung). Eine große Unwägbarkeit hier ist, der Grad der Informiertheit. Ein Arzt muss seinen Patienten über die Risiken einer Behandlung/Operation aufklären. Im Anschluss dessen hat der Patient ein ungefähres Risikobewusstsein, aber keine genaue Kenntnis. In vielen Fällen verfügt auch der Aufklärende, in diesem Beispiel der Arzt, nicht über hundertprozentiges Wissen über die Folgen dessen, was er erklärt. Hierzu gibt es zahlreiche Untersuchungen. In diesem Rahmen mag es reichen, festzustellen, dass die Kenntnis der Bedingungen, des Kontextes der Zustimmung immer relativ ist. Mehr als 90 Prozent aller, die der Cookie-Meldung zustimmen, wissen nicht, was ein Cookie ist, wie man seine Inhalte beurteilt und welche Folgen die Cookie-Nutzung haben kann. Von irgendeiner Art informed consent kann hier also kaum die Rede sein.
Zustimmung und Vertrauen
Wenn es eine voll informierte Zustimmung nicht geben kann, kommt eine wichtige Komponente ins Spiel: das Vertrauen. Wenn ich also nicht hundertprozentig wissen kann, worüber mich jemand aufklärt oder worüber ich mich informiert habe, muss ich demjenigen vertrauen. Ich muss den Partner oder die Gegenpartei als Autorität akzeptieren. Wenn ich einem Update von Microsoft zustimme, vertraue ich dem Hersteller, dass mein Betriebssystem weiter funktioniert. Wenn der Zahnarzt mir einen Behandlungsplan vorlegt, vertraue ich seiner Kompetenz, für mich die beste Variante gefunden zu haben. Wenn ich dem Vermögensbildungsplan meines Finanzberaters zustimme, vertraue ich seiner Kompetenz, eine gute Lösung zu finden. Daher findet sich ein Element des Vertrauens auch in rechtlich detailliert geregelten Verträgen, denen beide Seiten zustimmen sollen.
Fazit
Zustimmung ist eine soziale Handlung, die Verhältnisse ändert. Abgesehen von rechtlich geregelten Zustimmungen ist sie ein Akt, der seine Komplexität aus der Vielfalt der Kontext-Faktoren erhält. Viele der Eigenschaften, die ihr zugeschrieben werden (informiert, stillschweigend etc.) sind relativ und wohl größtenteils auch kaum justiziabel. Einverständnis/Zustimmung ist ein Element sozialer Interaktionen, die eine sinnvolle Kommunikation/Interaktion möglich machen sollen. Sie schließt in den allermeisten Fällen ein Moment des Vertrauens ein. Der Umgang mit Zustimmung spielt auch in Unternehmen eine wichtige Rolle. Der Geschäftsalltag besitzt, wenn man ihn genau betrachtet, täglich zahlreiche Elemente expliziter und impliziter Zustimmung. Das Bewusstmachen dieser Zustimmungselemente kann Aufschluss über die innere Verfassung eines Unternehmens, seiner Kultur und unausgesprochenen philosophischen Prämissen geben.