Die Skeptiker, die die Idee der Corporate Social Responsibility schon lange als Marketing-Idee kritisierten oder belächelten, haben nun offenbar Recht zu bekommen. Das Prinzip der Sozial- und Umweltverantwortung ist eine schöne Idee, die aber wohl in realen Unternehmen nicht durchsetzbar ist. Zu groß ist der Unterschied zwischen dem, was die CSR-Verantwortlichen in den Unternehmen vollmundig versprechen und dem, was dort wirklich passiert.
Vollmundige Nachhaltigkeitspropaganda
Der Volkswagen-Konzern bekennt sich seit vielen Jahren zum Prinzip der Corporate Social Responsibility und hat jährlich die geforderten Nachhaltigkeitsberichte veröffentlicht. In denen gibt es vollmundige Versprechungen wie: „Wir wollen der erfolgreichste, faszinierendste und nachhaltigste Automobilhersteller der Welt sein. Dieses Ziel haben wir uns für 2018 gesetzt und manches schon erreicht.“
Volkswagen Nachhaltigkeitsberichte strotzen vor Eigenwerbung. Der von 2014 erklärt erstmal wie groß der Konzern ist, was er alles kann und welche Produkte er herstellt. Martin Winterkorn erklärt dann zum Thema: „Die Schwerpunkte unserer Nachhaltigkeitsziele und -aktivitäten, die wir konzernweit steuern, setzen wir in den drei Dimensionen Wirtschaft, Menschen, Umwelt, nach denen auch der vorliegende Bericht gegliedert ist. Darin spiegelt sich unser konzernübergreifendes und in allen Regionen der Welt anschlussfähiges Nachhaltigkeitsverständnis ebenso wider wie unsere Überzeugung, dass ein langfristiges, stabiles und an ethischen Maßstäben orientiertes Wirtschaften Voraussetzung ist, umweltorientiert zu handeln und die Zukunft der Menschen im Konzern und in der Gesellschaft verantwortungsbewusst mitzugestalten.“ (S. 14 http://nachhaltigkeitsbericht2014.volkswagenag.com/sites/default/files/pdf/de/Volkswagen_Nachhaltigkeitsbericht_2014.pdf)
Mehr marketinggesteuertes Wortgeklingel geht nicht, auch wenn er hier die etwas angestaubte Triple Bottom Line (people, planet, profit) bemüht. Noch dicker kommt es in einem CSR-Image-Papier von 2013 unter dem inzwischen makabren Titel Verantwortung kennt keine Grenzen (S. 2): „Verantwortliches Handeln ist seit jeher Teil unserer Unternehmenskultur. Wir verstehen gesellschaftliche Verantwortung als die Fähigkeit, unser Geschäft mit den langfristigen Zielen der (Welt-)Gesellschaft in Einklang zu bringen. Wer prüfen will, ob und inwieweit wir diesem Anspruch gerecht werden, der schaue zuerst auf unsere Produkte, dann darauf, wie wir beschaffen und produzieren, und drittens auf die Beiträge, mit denen wir als guter Unternehmensbürger die kooperativen Strukturen in unserem sozialen Umfeld stärken und fortentwickeln.“
Eine sehr typische Verwechslung bei den Unternehmen betrifft die Unterscheidung von Ethischem und Gesetzlichem. Die meisten verwechseln das, was sie tun müssen mit dem was sie tun wollen. Mit ethischen Forderungen, also der Bereich des Wollens, für den auch die CSR-Definition der EU auch das Wort „freiwillig“ hat, können sehr viele Unternehmen nichts anfangen, ja sie verstehen nicht einmal, worum es dabei geht. Sehr typisch VW-Chef Matthias Müller im Januar in den USA. Auf die Frage des Radiosenders NPR, die suggeriert, dass es für viele Amerikaner kein technisches sondern ein ethisches Problem sei, antwortet er: „Frankly spoken, it was a technical problem … And the other question you mentioned — it was an ethical problem? I cannot understand why you say that.”
Der neuralgische Punkt heißt Unternehmenskultur
Immerhin hat Winterkorn hier den Finger in der Wunde: Die heißt Unternehmenskultur. Offenbar lügt er hier oder weiß er nicht, was in seinem Unternehmen vorgeht. Beides wäre schlimm. Man könnte eine Textsammlung mit mehreren hundert Seiten zusammenstellen, in denen VW sich als Vorbildunternehmen in Sachen Umwelt präsentiert. Ein Teil davon ist nach dem Skandal entstanden. Ein Problembewusstsein auf diesem Gebiet gibt es im Konzern offenbar bis heute nicht. Sprachregelungen, die von „Unregelmäßigkeiten“ reden, sollen das Problem weiterhin kaschieren. Selbstherrliches Auftreten und die Beendigung der Skandaldiskussion im Konzern sind sichere Zeichen dafür, dass der Konzern nicht willens ist, Grundlegendes zu ändern. Gipfelpunkt der Selbstherrlichkeit war der Ausspruch Matthias Müllers in den USA: „We did not lie“. Das alles klingt nicht so richtig nach Schuldbewusstsein.
Ausblick: Welchen Sinn hat CSR dann noch?
Ist die Idee der CSR nun am Ende oder in der Situation die man dem Sozialismus häufig zugeschrieben hat: „Gut gemeint, aber nicht realisierbar“? Die meisten Unternehmen verwechseln CSR mit Wohltätigkeit. Man sucht sich irgendein Ausbildungs- oder Infrastrukturprojekt in Afrika oder Asien, schickt ein paar Entwicklungshelfer mit einem Budget dorthin und lässt Gutes tun. Das schafft glückliche Gesichter im Nachhaltigkeitsbericht. Das ist auch wichtig, aber an der Grundidee des CSR geht das allerdings vorbei. Sozial- und Umweltverantwortung beginnt im Unternehmen. Alle internen Strukturen wie auch die Lieferketten und die Kommunikation müssen darauf befragt werden, ob sie den Prinzipien des CSR folgen und langfristig auf nachhaltiges Wirtschaften umgestaltet werden. In der Regel haben CSR-Verantwortliche kein Mitspracherecht für das Kerngeschäft. Vielleicht hat Wayne Visser Recht, wenn er erklärt, das CSR (1.0) gescheitert ist. Sein CSR 2.0 soll skalierbarer, kreativer und vor allem zirkular sein. Zirkulares Herangehen, das man aus vielen Teilen der Wirtschaft kennt, heißt für die CSR, dass es nach jeder Konzeption und Aktion ein Reporting gib, das in neue Konzeptionen und Aktionen einfließt und so eine sich selbst optimierende Spirale entsteht. Und gerade das Reporting ist der neuralgische Punkt. Hier muss es möglich sein, auch kritische, unangenehme Tatbestände auszuwerten und nicht nur die schönen Resultate zu vermelden. Darüber hinaus wäre es gut, wenn die Botschaft des Skandals in der Autoindustrie angekommen ist: Wer CSR ernst nimmt, kann Milliarden sparen. Eine hoffnungsvollere Zukunft der Menschheit gibt’s vielleicht als Sahnehäubchen obendrauf.